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Hier nachhaltig, da glamourös

Hier nachhaltig, da glamourös

Sofa «Paradise Bird» von Wittmann, Design: Luca Nichetto

«One Chair is enough»: Mit diesem Motto machte der finnische Hersteller Artek neugierig. Schliesslich war man auf der Kölner Möbelmesse, dort, wo auch in diesem Jahr wieder über 100000 Möbel und Einrichtungsgegenstände, davon etwa ein Drittel absolute Neuheiten, um die Gunst der Besucher buhlten. Kaufe den Stuhl, den du wirklich willst, postulierte Artek. «Wir machen darauf aufmerksam, was bewusster Konsumbedeutet», erklärte Marianne Goebl, Managing Director bei Artek. Vier Stühle präsentierte der Hersteller, darunter als Neuheit den «Aslak»-Stuhl von Ilmari Tapiovaara. Der Klassiker aus dem Jahr 1958 wurde neu aufgelegt. Der stapelbare, leichte Stuhl aus Buchenholz kann dank seiner kurzen, runden Armlehnen nah an Schreib- und Esstische gezogen werden, während sein geformter Sitz und die Rückenlehnen ihn auch bei längerem Sitzen komfortabel machen. Tapiovaara, ein Pionier des finnischen Designs, verband darin formellen Ausdruck mit ökonomischem Materialeinsatz. Dies macht den Stuhl auch heute wieder modern. «Unsere Produkte altern in Würde», sagt Goebl.«Und sie sind nie modisch und bleiben deshalb immer zeitlos.» Zudem sind sie nachhaltig. Die meisten Artek-Möbel entstehen aus in Finnland angepflanztem Holz und werden auch direkt in Turku verarbeitet.

Trends: Die Kölner Einrichtungsmesse «imm cologne» läutete im Januar das neue Designjahr ein. Nachhaltigkeit, Art déco, das Comeback der 70er-Jahre, Handwerk und effizientes Wohnen sind die Trends der diesjährigen Leitmesse der Branche.

Nachhaltigkeit ist eines der grossen Themen im neuen Designjahr. Dies zeigten zahlreiche der rund 1260 Hersteller der imm cologne 2020, der jährlichen Leitmesse der Branche. Denn, so der Tenor, Konsumentscheidungen werden heute immer stärker unter dem Aspekt der Klimaneutralität bewertet. Natürliche Materialien wie Vollholz und Leder liegen da in der Gunst weit vorne. So präsentierte der Hersteller Ruckstuhl Teppiche, die mit einer besonderen Abschlusskante bestechen: Diese ist nämlich aus Leder gefertigt, das aus den Werkstätten von de Sede stammt: «Unsere Arbeitsphilosophien ähneln sich», sagt Stefan Howald, Mitglied der Geschäftsleitung bei Ruckstuhl. «Hochwertige Verarbeitung und Handwerk sind bei beiden Firmen wichtig.» Und so können nun ausgewählte Teppiche des Langenthaler Unternehmens mit einem breiten ledernen Abschluss angeboten werden. Die Bordüre als gestalterisches Element: Drei Varianten stehen dabei zur Verfügung.«Wir wollen damit auch einen Gegentrend setzen. Bei Teppichen sieht man derzeit meist nur dünne oder gar keine Bordüren.»

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Stuhl «Aslak» von Artek, Design: Ilmari Tapiovaara
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Leuchte «Plissée» von Classicon, Design: Sebastian Herkner

Effizienter wohnen

Steigende Mieten und kleinere Wohnungen befeuern einen anderen Trend: Platzsparende Möbel verdrängen die grossen Sitzlandschaften vergangener Jahre. Der deutsche Hersteller Thonet stellte den Polsterstuhl «520» von Marco Dessí vor.Hoher Sitzkomfort verbindet sich darin mit einer optischen wie physischen Leichtigkeit. Darüber hinaus zeigt er die souveräne Eleganz, die die Geschichte des klassischen Thonet-Bugholzsessels in sich trägt. Dessí hat in seinem Entwurf die freien Flächen zwischen den Bugholzelementen durch komfortable Polster ersetzt. Einen kleinen Riesen sah man bei Ligne Roset: Design-Star Sebastian Herkner liess sich dabei von Elefanten inspirieren.Das Sofa«Taru»kommt ganz kompakt und mit stämmigen Füssen daher. Der fliessende Übergang von der Sitzfläche zu den breiten Füssen dokumentiert das grosse handwerkliche Können des französischen Familienunternehmens: Jede Naht ist mit Nadel und Faden geschlossen. Ziernähte an den Rücken- und Armlehnen setzen zu dem feine Akzente.

Handwerk und Qualität werden derzeit wieder grossgeschrieben. Sebastian Herkner, allgegenwärtig auf der Messe, demonstrierte bei Classicon mit der Leuchte «Plissée», wie man die gewohnte Wahrnehmung von Materialien auf den Kopf stellen kann. Wie ein schwereloser Lichtballon balanciert hier der Lampenschirm auf einem Sockel aus Metall. Der Clou: Was an kunstvoll plissierten Stoff erinnert, ist in Wirklichkeit mundgeblasenes Glas – dank aufwendiger Manufakturherstellung. Mit dem Sofa «Tuft Deep» von Harvey Probber trägt Classicon auch zum Comeback der 1970er-Jahre bei. Die Reedition des Möbels mit der üppigen Stepp-Polsterung, das der New Yorker Designer bereits 1972 entworfen hatte, erlaubt mit Eckmodul, Mittelteil mit Lehne sowie einem lehnenlosen Element unzählige, variable Kombinationsmöglichkeiten, von der linearen Anordnung bis hin zur breiten Sitz- und Liegelandschaft.  

Glamouröser Art-déco-Stil

Wo hier Minimalismus auf Opulenz trifft, konnte man andernorts sehen, wie Glamour heute geht. Während einerseits immer noch das skandinavische Design mit pastelligen Farben und organischen Formen hoch im Kurs steht, ist andererseits der glamouröse Stil wieder im Kommen. Opulente Möbel und viel Gold, Samt und Seide – Wohnen im Art-déco-Stil der 1920er-Jahre ist wieder angesagt. Er bringt einen Hauch Luxus in unseren Wohnalltag. Beim österreichischen Hersteller-Wittmann gab es einen Hingucker dieses extravaganten Stils zu sehen: Luca Nichetto präsentierte die Kollektion «Paradise Bird». Lounge Chair, Hochlehner, Sofa und Hocker reihen sich mühelos in die Wiener-Tradition des Art déco ein. Ihre mondäne Form überrascht mit komfortablem Sitzgefühl – Taschenfederkerne und Daunenfüllungen sorgen für Komfort. Der Lounge Chair ist das Herzstück der Kollektion: Mühelos greift er die charmanten Elemente jener Eleganz auf, die ihre Wurzeln in der Gestaltungstradition Wiens hat. Die filigrane Metallrahmenkonstruktion wirkt trotz üppiger Dimensionen leicht – sie bildet einen Korb, in dem die gemütlichen Sitz- und Rückenpolster zum Verweilen einladen.Besonders gut kommt dieser Einrichtungstrend durch satte, dunkle Farben wie Blau oder Grün zur Geltung.


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Lounge Chair und Hocker «Paradise Bird» von Wittmann, Design: Luca Nichetto
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Lampe «Flakes» von Favius, Design: Hanne Willmann

Zwischen all den grossen Playern der Möbelbranche haben dieses Jahr auch zwei kleine Labels überzeugt:Die junge deutsche Designmarke Favius bestach mit zwei Entwürfen. Hanne Willmann, der Shootingstar aus Berlin, entwarf für das Newcomer-Label die mundgeblasene Tischleuchte «Flakes».Ihr poetischer Entwurf setzt auf die Schönheit der klassischen Verarbeitungstechnik und das Zusammenspiel von Transparenz und Opazität. Per Hand werden auf jeden Leuchtkörper Farbglaskörner aufgetragen,die ein einzigartiges Lichtspiel entstehen lassen. So wird jede Leuchte zum Unikat und ist auch im ausgeschalteten Zustand ein Hingucker. Ein veritabler Gewinn sind auch die Beistell- und Couchtische des Hamburger Design-Duos Besau-Marguerre (siehe Interview).Einen fulminanten Auftritt hatte auch das deutsche Label Pulpo, gleich mehrere Entwürfe konkurrenzierten um die Gunst der Besucher. So präsentierte der französische Designer Ferréol Babin das Regal «Brut», das zwei sehr unterschiedliche Materialien zusammenbrachte: Glas und Marmor. Das Glas wirkt feiner und zerbrechlicher, der schwere Stein mit den roh gebrochenen Kanten härter und schwerer.
   

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Polsterstuhl «520» von Thonet, Design: Marco Dessí
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Beistelltisch «Aspa» von MUT, Design: MUT
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Sofa «Taru» von Ligne Roset, Design: Sebastian Herkner

Von dem spanischen Studio MUT stammen die Beistelltische «Aspa»– eine Übung in Geometrie. Ein Highlight in Sachen Lichtspiegelungen: Unterschiedlich strukturierte, farbige Glasplatten wurden hier übereinandergelegt und erschaffen so ein spannendes Spiel aus Lichteinfall und Farbintensität. Je nachdem, wie viele Glasplatten arrangiert wurden, kommen farbintensivere Nuancen zum Vorschein, die dem Tisch eine grafische Tiefe geben. Der Name MUT bedeutet so viel wie die Aufforderung «Ruhe!», mit der man sich Gehör verschaffen will. Die Designer können sich aber auch mit der im Deutschen angelegten Bedeutung von «Mut» identifizieren: «Das ergänzt unser Selbstverständnis perfekt, weil es heute viel Mut verlangt, seine eigene Linie zu vertreten und nicht mit dem Strom der Trends zu schwimmen», so die Spanier. Andrea Eschbach