Anzeige

Was können Privatschulen besser?

Zur Person:

Was können Privatschulen besser?

Mitbewerber und keine Konkurrenz: Privatschulen sollen öffentliche Bildungseinrichtungen ergänzen wie die Primarschule im Herti, betont der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister. Bild: Stefan Kaiser (Zug, 27. Mai 2020)

Sind private Schulen und öffentliche Bildungseinrichtungen Konkurrenten oder einfach nur Mitbewerber?    

Gerhard Pfister, Co-Präsident des Verbands Schweizerischer Privatschulen, spricht über die Aufgaben privater Bildungsinstitutionen.

Gerhard Pfister: Die Privatschulen stellen in der Regel eine Ergänzung zu den öffentlichen Einrichtungen im jeweiligen Bildungsbereich dar. Bei den höheren Fachschulen unter Obhut von Privaten haben diese jedoch eine andere Rolle inne.

Was können Privatschulen besser als öffentliche Schulen?

Im Bildungssegment Tagesschule haben die privaten Schulen in der jüngeren Vergangenheit zugelegt. Dies trifft auch für den Kanton Zug zu. Es ist an den privat organisierten Einrichtungen, dann bei Aufgaben einzuspringen, die der Staat nicht abdecken kann und oft auch nicht will. Die Dienstleistung Tagesschule hat jedoch für Fachkräfte internationaler Unternehmen einen sehr hohen Stellenwert. Solche Familien weilen oft nur für eine kurze Zeit im Kanton Zug und haben das Bestreben, ihrem Nachwuchs eine kompetente, dem Alter angemessene Ausbildung zu vermitteln. Deshalb ist es wichtig, Kindern und Jugendlichen Lehrgänge zu bieten, die überall auf der Welt anerkannt sind und fortgesetzt werden können.

Was können Privatschulen besser?-2

«Wer sagt, dass Bildung teuer ist, weiss nicht, wie viel uns die Dummheit kosten würde.»

Gerhard Pfister, Co-Präsident Verband Schweizerischer Privatschulen

Wie wichtig ist ein gutes Bildungsumfeld für den Kanton Zug?

Als Standort von international tätigen Unternehmen muss im Bereich Bildung etwas geboten werden. Es stimmt eben in keiner Art und Weise, dass die tiefe Steuerbelastung für Individuen und Gesellschaften der entscheidende Standortvorteil ist. Vielmehr kann die Schweiz auch mit einem guten Gesundheitswesen punkten. Nicht zu verargen ist auch, dass wir ein sicheres Land sind.

Wie beurteilen Sie als Kenner der Schweizer Privatschulszene die Aussenwahrnehmung der Schweiz in Bezug auf die Bildung?

Die Schweiz bietet ein attraktives Arbeitsumfeld und geniesst international einen sehr guten Ruf. Bei dieser positiven Beurteilung ist unser Bildungssystem ein sehr wichtiger Faktor.

332 Schüler besuchen eine private Sekundarschule.

Was hebt die Schweiz denn von anderen Ländern ab?

Entscheidend ist die Qualität der Lehrpersonen und eine kompetente Führung der Schulen. In diesen Segmenten punktet die Schweiz regelmässig. Es stimmt natürlich auch, dass wir in der Schweiz sehr gute Lehrerlöhne – und dies auch kaufkraftbereinigt – bezahlen.

Aber in den USA, so ist immer wieder zu hören, sind ja die besten Universitäten der Welt zu Hause. Zählt denn das nicht?

Ja, die Vereinigten Staaten von Amerika haben die besten Schulen der Welt. Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass sie gleichzeitig die schlechtesten Schulen haben. In solchen Bildungssystemen ist die Finanzkraft der Eltern wichtig. Alles hat in den USA seinen Preis. Einen solchen Unterschied wie in den USA gibt es in der Schweiz nicht. Hierzulande stecken wir sehr viel Geld in die Bildung. Sie ist uns sehr wichtig. Ich sage dann immer: Alles hat seinen Preis. Wer sagt, dass Bildung teuer ist, weiss nicht, wie viel uns die Dummheit kosten würde.

Rund 30% davon sind Schweizer.

Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen staatlichen Schulen und ihren Pendants im Privatsektor?

Die Privatschulen sind nicht besser als die staatlichen Einrichtungen. Die Privatschulen füllen dabei gewisse individuelle Nischen aus. In pädagogischer Hinsicht wären dies zum Beispiel die Montessori-Kindergärten. Den umfassenden Bildungsanspruch – wie zum Beispiel des Instituts Montana auf dem Zugerberg mit seinem Internat – haben die staatlichen Schulen im Kanton Zug nicht. In anderen Kantonen – wie zum Beispiel im Kanton Graubünden – mag dies aber wieder anders sein. Es ist aber eine Tatsache, dass wir nicht gut miteinander leben könnten, wenn wir staatliche Schulen gegen private Institutionen ausspielen würden. Die privaten Bildungseinrichtungen sind als eine Ergänzung der staatlichen Bildungsstätten zu verstehen. Der Lehrauftrag bleibt bei beiden Institutionen der gleiche: Die Schülerinnen und die Schüler sollen die ihnen angemessene Ausbildung bekommen.

Trifft dies denn in den USA oder anderen Ländern auf dieser Welt nicht auch zu?

Es ist ein Fakt, dass in den USA die staatlichen Schulen nicht die gleiche Ausbildung bieten wie Institute, die privat organisiert und finanziert sind. Elementar ist doch, dass jedes Kind eine gute Ausbildung erhält, die es fürs Leben fit machen. Hand aufs Herz. In Europa ist dieser Unterschied zwischen den Bildungsstätten sicher nicht so gross wie in den USA. Das will aber nicht heissen, dass einer in den USA nicht auch gross herauskommen kann. Gelingt dies hingegen nicht, ist ein tiefer Fall oft die Folge. Die Jugendarbeitslosigkeit ist diesbezüglich ein guter Indikator. In der Schweiz sind Jugendliche weniger arbeitslos als in anderen Ländern. In der Schweiz passiert dies nicht, weil wir hier über ein soziales Netz verfügen, das einen solchen Fall zu verhindern hilft.

Aus 36 Nationen kommen die privaten Sekundarschüler.

Gibt es Unterschiede zwischen den staatlichen und den privaten Bildungseinrichtungen?

Die Privatschulen stehen im Wettbewerb. Auch untereinander. Was sie aber auszeichnet ist, dass sie gegenüber ihren staatlichen Mitbewerbern sicher innovativer sind. Sie tun alles, um ihre Qualität hochzuhalten. Die Herausforderungen sind aber für beide Institutionen die gleichen. Als Dienstleistungseinrichtungen stehen sie vor der Herausforderung, die Herauswachsenden auf ihre Zukunft dergestalt vorzubereiten, damit sie ihr Leben selber bewältigen können.

Was würden Sie als die grössten Herausforderungen bezeichnen?

Die Berufsbilder verändern sich immer wieder. Menschen, die ein Leben lang das Gleiche tun, die werden immer weniger. Ich erinnere hier gerne daran, dass die Erstklässler, die in diesem Sommer in die Schule eingetreten sind, dereinst Berufe ausüben werden, die es derzeit gar noch nicht gibt. Es gibt Studien, die sagen, dass diese Quote der neuen Jobs gegenwärtig bei 30 Prozent anzusiedeln ist. Die Bildungseinrichtung steht so vor der Aufgabe, ihren Schülern die Instrumente in die Hand zu geben, damit sie ihre Zukunft meistern können. Dies mit dem Makel, dass das, was kommt, immer unsicherer wird. Die Aussicht hat aber auch einen spannenden Aspekt. Gewappnet auf dasjenige zu sein, das ich im Augenblick gar noch nicht kenne.

685 Kinder besuchen eine private Primarschule.

Derzeit ändert sich ja im Zuge der Covid-19-Pandemie im Alltag auch sehr viel. Wie sehen Sie den derzeitigen Wandel zum Beispiel mit dem Verordnen von Homeoffice?

Die Corona-Pandemie zeigt den Eltern, was die Lehrer unter diesen Bedingungen leisten. Das Verständnis für sie ist gewachsen. Trotz aller Digitalisierung zeigt sich auch, wie wichtig die Interaktionen zwischen Schülerinnen und Schülern mit den Lehrpersonen sind. Aber dies gilt auch für die Gleichaltrigen untereinander. Alles ist wichtig fürs Leben. Jede gewonnene Erfahrung ist nützlich. Es zeigt sich aber auch, dass nicht alles digitalisierbar ist. Trotz aller hochkomplexen Vorgänge zählt auch die menschliche Interaktion. Das finde ich faszinierend.

Wie hoch ist der Betrag, welche die Privatschulen vom Staat für ihre Leistungen erhalten?

Wir im Kanton Zug gehören zusammen mit Basel-Landschaft zu den einzigen Körperschaften, welche vom Staat Geld für den Besuch von Privatschulen erhalten. Im Kanton Zug sind diese Gelder im Zuge der Spardebatte reduziert worden. Es ist okay so. Weiterhin geht die Hälfte des Geldes an die Eltern und die andere Hälfte an die Schule. Dies bedingt, dass die Privatschulen Rahmenbedingungen erfüllen müssen, um die Gelder zu erhalten. Dass jeder Kanton für sich eine Lösung findet, erachte ich nicht als schlecht. Das ist ein Vorteil, bei dem der Föderalismus hilfreich ist.

Wie setzt sich die Schülerzahl in den verschiedenen Privatschulen zusammen?

Fast alle Länder dieser Welt sind vertreten. Das heisst: Alle Beteiligten erwartet jeden Tag eine grosse Aufgabe in Sachen Integration. Diese Aufgabe ist nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig freut es einen auch, wie friedlich dieser Prozess abläuft. Auch die Zuger, welche solche Schulen besuchen, können von diesem Unterricht und der Interaktivität profitieren. Auch ein solcher Prozess gehört zur Lebensschule.

Früher gehörte es in guten Häusern dazu, dass ein jeder in die Fremde ging, um das richtige Leben kennen zu lernen. Entspricht dieses Bild noch der Wirklichkeit?

Gerhard Pfister: Ich bin in Disentis im Internat gewesen. Schon mein Vater war dort. Ich habe diese Schulform weg von zuhause als bereichernd empfunden. Das gibt es nicht mehr. Aber es gibt immer wieder Schüler, welche sich von einem Internatsdasein etwas versprechen. Die Kosten dafür sind jedoch sehr hoch. Deshalb sind sie für Schweizer Schüler an Privatschulen nicht mehr die erste Option. Ich finde es vor allem wichtig, dass der Eintritt in ein Internat nicht aus Zwang geschehen soll. Es muss eine freie Entscheidung sein. Alles in allem soll der Besuch eines Internats nicht idealisiert werden.

Sind Privatschulen untereinander Konkurrenten?

Um am Markt erfolgreich zu sein, ist der Austausch mit anderen Privatschulen wichtig. Solche Kontakte sollen auch zeigen, wie es andere handhaben, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Die Qualität der Ausbildung ist wichtig. Ebenso steht im Zentrum, dass die gebotenen guten Dienstleistungen nicht an den gesellschaftlich wichtigen Themen vorbeiproduziert werden.

Wann erfüllt eine Privatschule ihre Pflicht?

Die Schüler der Privatschule und ihre Kollegen von der staatlichen Bildungseinrichtung sollen zum Beispiel nach der Matura die gleichen Chancen haben, um an der Universität erfolgreich zu sein. Konkurrenz zu anderen Privatschulen ist okay, aber bei den staatlichen Schulen ist das keine Option.

Tauschen sich die Privatschulen untereinander aus?

Ich erachte diesen verbalen Austausch als wichtig. Er zeigt zum Beispiel, wie zukunftsfähig ich bin. Er dient aber auch der Qualitätssicherung. Eine Privatschule soll sich auch nicht gegenüber den gesellschaftlich aktuellen Themen verschliessen. Die Privatschulen haben sich unter einem gemeinsamen Dach als Verband organisiert.

Kommt es vor, dass Wirtschaftsvertreter bei Privatschulen vorsprechen, um zu deponieren, welche Bedürfnisse vorhanden sind?

Mit der Wirtschaft sind die Privatschulen in Sachen Berufsbildung verzahnt. Nehmen wir an, dass Lehrlinge etwas Bestimmtes nicht mehr beherrschen. Da ist unser Berufsbildungssystem grossartig. Den Austausch muss es auf dieser Ebene geben. Die Ausbildungsschritte müssen immer wieder justiert und weiterentwickelt werden.

Ist die heutige Jugend faul?

Jeder Pädagoge weiss, dass die aktuelle Jugend nicht weniger schlau ist als die vorherige. Der Wille, etwas zu lernen, ist ebenso da wie die Neugier.

Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Bildungseinrichtungen?

Alle Schulen müssen täglich gute Arbeit leisten. Kritik gilt es ernst zu nehmen. Sie sollen Ansporn sein, um noch besser zu arbeiten. Auch die Imagepflege ist wichtig.

Wenn Sie noch einmal studieren könnten, welche Fachrichtung müsste es dann sein?

Ich würde noch einmal das Gleiche studieren wie nach der Matura und somit wieder die Fächer Germanistik und Philosophie belegen. Diese Wiederwahl geschähe deshalb, weil Germanistik und Philosophie meiner Neigung entsprechen und meine Leidenschaft waren.

Was wäre an sich sonst noch ein Studium wert?

Jurist. Der kann aus einem komplexen Text den wesentlichen Sachverhalt schnell herausfiltern. Das wäre für meine Arbeit noch hilfreich.

Ein Tipp für die Berufs- oder Studienwahl?

Auf die innere Stimme hören.

In welcher Form lesen Sie Zeitungen?

Auf Papier. Interview: Marco Morosoli

Private Schulen entlasten

Zug Der Zuger Bildungsdirektor und Landammann Stephan Schleiss pflegt gegenüber privaten Schulen ein unverkrampftes Verhältnis. Schleiss betont, dass sie aus zweifacher Hinsicht eine gute Sache für den Kanton Zug seien. Einerseits erwähnt der Bildungsdirektor den Wirtschaftsstandort Zug, der davon profitiere, und andererseits betont er, dass die privaten Schulen Sektor auch als eine Ergänzung der öffentlichen Schulen im Kanton Zug seien.

Diese Auslagerung von Schülern an private Schulen hat auch einen pekuniären Aspekt, den Stephan Schleiss so zusammenfasst: «Die privaten Schulen entlasten überdies den Kanton und die Gemeinden, weil die Eltern für das Schulgeld aufkommen und nicht die öffentliche Hand.» Aus aktuellen Zahlen der Fachstelle Statistik des Kantons Zug geht hervor, dass 685 Schülerinnen und Schüler den obligatorischen Primarschulunterricht in einer privaten Institution besuchen. Dabei können diese Bildungseinrichtungen nicht tun und lassen, was sie wollen, wie der Bildungsdirektor Stephan Schleiss betont: «Private Schulen der obligatorischen Schulzeit müssen durch den Kanton Zug anerkannt werden.»

Das gleiche Regime gelte auch beim Gymnasium, das mit einer Matura abgeschlossen werde. Die Zusammenarbeit mit den schulischen Mitbewerbern ist laut Schleiss «sehr gut». Die Parteien würden sich gegenseitig respektieren und schätzen. Was bei den verfügbaren Zahlen der Fachstelle Statistik überrascht ist, dass fast ein Drittel der 332 Heranwachsenden, die in einer Privatschule im Kanton Zug eine Sekundarschule absolvieren, Schweizer sind. 53 Schülerinnen oder Schüler sind Briten, 28 Deutsche und 23 haben die USA als Heimatstaat. Die Sekundarschulstufe absolvierten im Schuljahr 2019/20 Schüler aus 36 Nationen. (mo)

Zur Person:

Gerhard Pfister ist geboren am 1. Oktober 1962, verheiratet und wohnhaft in Oberägeri. Nationalrat für die CVP seit 2003. Präsident der CVP Schweiz (seit 2016). Kantonsrat (1998–2003). Präsident CVP Oberägeri (1998–2004). Präsident CVP des Kantons Zug (1999–2008). Studium in Fribourg. Fachrichtung: Germanistik und Philosophie (1982–1989). Auslandsemester an der Freien Universität Berlin (1989). Pfister promovierte an der Universität Basel zum Dr. phil. Unterrichtstätigkeit in Philosophie und Deutsch (1984–2013). Er war Direktor und Präsident des Verwaltungsrats des Instituts Dr. Pfister AG in Oberägeri von (1994 bis 2012). Präsident des Verwaltungsrats der Elementa Group AG Zug (seit 2005). Delegierter und Mitglied des Verwaltungsrats der Institut Montana Zugerberg AG (2008–2019). Vizepräsident des Verwaltungsrats Hochalpines Institut Ftan AG (seit 2019). Co-Präsident des Verbands Schweizerischer Privatschulen (VSP).