Das Veilchen und später der Flieder waren namensgebend für die Farbbezeichnung Violett und Lila. Violett – als Oberbegriff aller Abstufungen mit einem Rot- und Blauanteil – gilt als geheimnisvoll und mystisch, wirkt beruhigend, steht für Spiritualität und Melancholie, aber auch für Umbruch und Abschied. In der Natur hat die violette Pigmentierung vor allem den Zweck, die Fotosynthese zu unterstützen, schädliche Lichtwellen zu blockieren und Insekten anzulocken. Und das scheint im Frühjahr besonders wichtig zu sein, beherrscht die sanfte Farbe doch die Wiesen wie keine andere.
Die Vorboten
Wenn die kleinen Frühlingskrokusse oder Elfenkrokusse durchbrechen, scheinen sie ihrer Zeit ewig voraus zu sein. Kann das sein, ist denn schon Frühling? Dabei reicht es für diese lila Farbtupfer schon, dass die Sonne nur leicht stärker scheint. Die lila Farbtupfer scheinen dabei aus einem Monet-Gemälde gefallen zu sein, vor allem wenn sie in Gruppen auftauchen und sich in der Nähe von Bäumen tummeln. Sie ziehen nicht nur Bienen und Hummeln an, sondern auch Schmetterlinge. Der Krokus stammt ursprünglich aus dem Orient, bekannt und begehrt ist vor allem der Safrankrokus, der allerdings erst im Herbst blüht. Im späten Mittelalter wurde er sogar in Basel angebaut – das Restaurant Safranzunft zeugt heute noch von der Vergangenheit des regen Handels mit dem «Crocus sativus». Auch die Primel ist – wie ihr Name vermuten lässt – eine der Ersten, die blüht. Im Garten bildet vor allem die Kissenprimel zusammen mit den Frühlingskrokussen eine bunte Gemeinschaft. Und verändert ihre Farbe, sobald die Nachtfalter als Bestäuber zuschlagen. Da diese im Dunkeln von hellen Farben angezogen werden, blassen die Primeln langsam aus. Umgangssprachlich ist die Primula vulgaris auch als Supermarkt-Primel bekannt, aber weniger weil ihre Blüten essbar sind oder ihre Wurzeln und Kelchblätter Heilkräfte haben, sondern weil sie häufig im Supermarkt als kleine Topfpflanzen erhältlich sind.
Bescheidenheit als Duft
Bescheidener und unscheinbarer erscheinen die Märzveilchen. Doch ist Bescheidenheit eine Tugend; vielleicht trug deshalb Napoleon zwei getrocknete Veilchen an seiner Brust. Genutzt hat es nichts, aber vielleicht war der Kriegsherr auch einfach ein Romantiker. Der Charme der Viola odorata liegt auch in ihrem charakteristischen Duft, der einem an Rändern von Siedlungen und Wegesrändern in die Nase weht. Kein Wunder, werden die Blüten gerne für die Herstellung von Parfums genutzt. Die violetten Frühlingsblumen sind zudem essbar und machen sich wunderbar in grünen Salaten oder als Sirup. Ebenfalls zur Gattung der Veilchen gehören die Stiefmütterchen. Wenige wissen von ihren eigentlichen «Eltern», den wilden Stiefmütterchen, die vor allem im Wald vorkommen. Diese gelten sogar als vielfältige Heilpflanze, die gerne für Kinder genutzt wird. Die guten Stiefmütterchen helfen zum Beispiel gegen Husten, ein empfindliches Nervensystem oder Akne. Übrigens heisst die Blume im Französischen la pensée – der Gedanke. Vielleicht weil sie früher zur heimlichen Werbung verwendet wurde, um potenziellen Partnern seine Gefühle zu zeigen. Die essbaren Blüten werden gerne als Zierde von Speisen verwendet. Doch sollte man nun nicht hinter jedem dekorierten Schoggicake einen verliebten Verehrer vermuten.
Violette Vitamincocktails
«Veronika, der Lenz ist da!» Das weiss der Ehrenpreis mit weltweit mehr als 350 Arten natürlich schon längst, kündigt er nicht allein den Frühling an, sondern bietet als Heilpflanze auch gleich die nötige Vitaminpower, um gegen die Frühjahrsmüdigkeit zu kämpfen. Veronica leistet aber auch Abhilfe bei Hautleiden oder Atemwegerkrankungen. Der Volksmund hat also recht, wenn er diese Pflanze «Allerweltsheil» nennt. Bei uns am stärksten verbreitet ist die Art Veronica persica. Ebenfalls ein Heilkraut mit Vitaminpower ist der Kriechende Günsel. Die Pflanze, die bis zu 30 cm hochwächst, scheint zahlreiche kleine Veilchen an sich zu tragen, gehört aber zur Familie der Lippenblütler. Der schmackhafte Ajuga reptans findet sich in zahlreichen natürlichen Gärten und scheint nur darauf zu warten, endlich gepflückt und als Heilkraut angewendet zu werden. Seine entzündungshemmenden, schmerzstillenden und harntreibenden Eigenschaften eignen sich gut zur Behandlung von Rheuma, er wirkt aber auch beruhigend bei Schlafproblemen.
Violett für Bienen und Falter
Wie eine Menagerie klingt es, wenn sich Kuhschelle, Natternkopf oder Hasenglöckchen den Boden teilen: Während erstere als Pulsatilla aus der Homöopathie insbesondere Eltern junger Kinder bestens bekannt ist, liefert der Natternkopf seine Dienste hauptsächlich den Insekten: Echium gilt als sehr hochwertiger Nektarlieferant für allerlei Insekten, darunter Bienen und Schmetterlinge. Zu den tagaktiven Faltern, die sich von seinem Nektar ernähren, gehören beispielsweise der Schwalbenschwanz oder der Distelfalter. Die mit den Hyazinthen verwandten Hasenglöckchen sehen dagegen einfach nur verführerisch aus. Gut aussehen will auch das gewöhnliche Leberblümchen, das seinem Namen zum Trotz in Japan Kultstatus erreicht hat – ähnlich den Kirschblüten. Von den japanischen Verwandten des Hepatica nobilis gibt es etwa 3000 Sorten. Doch in seiner Naturform ist der immergrüne Waldbewohner mit seinen 2 bis 3 cm grossen Blüten selten geworden und steht daher unter Naturschutz.
Lila Alleskönner
Nicht zu vergessen – auch wenn er später blüht – im violetten Farbenspektrum ist der vielfältige Lavendel, der in keinem Garten, auf keiner Terrasse und auf keinem Balkon fehlen sollte. Lavendel riecht nicht nur gut, sondern hat auch einen grossen ökologischen Nutzen – v.a. Bienen lieben Lavendel. Für den Menschen dient der Lavandula frisch oder getrocknet als Duftstoff, der u.a. Motten vertreibt. Die essbaren Blüten und Blätter der meisten Lavendelarten können ähnlich eingesetzt werden wie Rosmarin und haben beispielsweise als Tee eine harmonisierende, beruhigende Wirkung. Dominique Simonnot