In der Lehrwerkstatt der V-Zug ist es an diesem Tag etwas ruhiger als üblich. Es ist Anfang November mitten in der zweiten Welle der Corona-Pandemie. Ein Lernender war am Vortag positiv auf das Virus getestet worden, weshalb auch einige weitere seiner Arbeitskollegen in Quarantäne mussten. Doch unter normalen Umständen herrscht in der Lehrwerkstatt ziemlich Betrieb. 20 Lernende der V-Zug sowie einige zusätzliche Lernende aus anderen Unternehmen werden hier ausgebildet. Sie lernen die Grundlagen zur Arbeit als Polymechaniker, Produktionsmechaniker, Automatiker und Automatikmonteur. Hinzu kommen insgesamt 61 Lernende in anderen Bereichen des Haushaltgeräteherstellers, wie zum Beispiel Konstrukteure, Logistiker und Informatiker.Die Voraussetzungen für eine gute Bildungslandschaft seien im Kanton Zug sehr gut, sagt Christian Roth. Er leitet bei der V-Zug den Bereich Personalentwicklung und arbeitet hierbei eng mit der Abteilung Berufsbildung zusammen. «Die Behörden sind nahe an den Kunden – sowohl bei den (Lehr-)Betrieben als auch bei den Schulen.» Hierbei helfe sicher, dass das Amt für Berufsbildung in der Volkswirtschaftsdirektion angesiedelt ist. «Und dieses arbeitet sehr gut mit dem Berufsinformationszentrum BIZ zusammen, welches der Bildungsdirektion unterstellt ist.»
Im Kanton Zug bekunden Lehrbetriebe für anspruchsvolle Berufe vermehrt Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsstellen zu besetzen. Ein Effort ist insbesondere vonseiten der Branche gefragt, um gemeinsam für die Ausbildung von Fachkräften zu sorgen.
Um auch zukünftig Ausbildungsplätze für technische Handwerksberufe im Kanton Zug zu sichern, benötige es derzeit trotzdem einen Effort – diesen müsse jedoch vor allem die Branche leisten, erklärt Roth. Insbesondere bei technischen Berufen, wie beispielsweise dem Polymechaniker. Wer den Beruf erlernen möchte, muss in der Schule, insbesondere in der Mathematik, stark sein. Gemäss Roth scheinen starke Schüler heutzutage aber vermehrt den gymnasialen Weg zu bevorzugen. «Dies kann unter anderem damit zu tun haben, dass die tollen Möglichkeiten und Chancen einer Berufslehre vielen Schülerinnen und Schülern und auch deren Eltern nicht bewusst sind, insbesondere, wenn diese aus einem anderen Land stammen und unser duales Bildungssystem nicht kennen.» Auf der anderen Seite sind in den letzten Jahren einige Polymechaniker-Lehrstellen weggefallen. Unter anderem durch den Weggang des Maschinen- und Laserproduzenten Trumpf. Doch auch Lehrstellen in kleineren Betrieben würden immer wieder gestrichen.
So gebe es derzeit im Kanton Zug noch rund ein Dutzend Betriebe, die Polymechaniker ausbildeten. Dies sei eine kritische Menge. Es könne eine Abwärtsspirale entstehen, erklärt Roth. «Wichtig ist, dass wir in möglichst vielen Lehrberufen genügend Lernende haben, sodass diese weiterhin die Berufsfachschule in Zug besuchen können. » Wäre dies nicht gegeben, wäre dies nicht förderlich für die Attraktivität der Lehre zum Polymechaniker im Kanton Zug, und es gäbe noch weniger junge Frauen und Männer, die sich für diesen spannenden Beruf interessierten, ist Roth überzeugt. Würden hingegen wieder mehr Lehrstellen angeboten und die Berufslehre als Weg in die Arbeitswelt gestärkt, könnte diese Spirale auch zur Aufwärtsspirale werden. Eine weitere Möglichkeit sei es, vermehrt auch mit den angrenzenden Gebieten, wie dem Säuliamt, dem Rontal oder dem Schwyzer Talkessel, zusammenzuarbeiten – sei es bei der Rekrutierung von Lernenden, aber auch bei der Wahl der Berufsfachschule.
«Wir sitzen im selben Boot.»
Christian Roth
Leiter Personalentwicklung V-Zug
Die Berufslehre zu stärken, das versucht die Branche gemeinsam. «Als Lehrbetriebe sind wir bei der Suche nach geeigneten Lernenden erst auf den letzten paar Metern Konkurrenten.» Wenn es darum geht, welcher Lernende in welchem Betrieb die Lehre absolviert. «Bis dorthin sitzen wir jedoch im selben Boot», erklärt Roth. «Wir sorgen gemeinsam dafür, dass insbesondere für komplexere Berufe, wie den Polymechaniker, die Berufsausbildung eine gute Alternative zum Gymnasium darstellt und entsprechend wahrgenommen wird.» Denn im Moment werde es tendenziell eher schwieriger, Lernende zu finden. Roth ist überzeugt, dass es nicht nur dem Standort Zug, sondern jedem einzelnen Unternehmen enorm viel bringt, wenn er sich als Lehrbetrieb engagiert. «Es ist wichtig, dass im Kanton Zug generell genügend Betriebe Lernende ausbilden. » Dadurch helfe man der jeweiligen Branche sicherzustellen, dass die notwendigen Fachkräfte auch in Zukunft vorhanden sind, was Zug auch als Firmenstandort attraktiv mache.
Schüler sollen vor Übertritt Berufe kennen lernen
Aus diesem Grund sei es wichtig, dass die Berufslehre weiterhin ihren hohen Stellenwert halten kann, was in der Sekundarstufe 1 durchaus gegeben sei. Während der Primarschule könnte aber noch mehr in Bezug auf die zukünftige Berufswahl getan werden. «Bei starken Schülern werden die Weichen bereits beim Übertritt gestellt. Deshalb sollten wir diesen zukünftig bereits vor einem allfälligen Eintritt ins Gymnasium einen ersten Einblick in unsere Berufe geben und sie und ihre Eltern über unser Bildungssystem und die Berufslehre informieren. » Diese Bemühungen hätten sowohl im Kanton Zug wie auch schweizweit noch Potenzial nach oben. Um mehr starke Schüler für eine Lehre zu gewinnen, müssen gemäss Roth auch die Eltern ins Boot geholt werden. Potenzial sieht er hier unter anderem bei Firmen, die hauptsächlich mit Expats arbeiten. «Wenn diese Firmen vermehrt Lernende ausbilden, werden auch die Mitarbeitenden die Vorzüge und Qualitäten einer Berufslehre erleben und ihren Kindern diesen Bildungsweg empfehlen.» Zudem ist Roth überzeugt, dass ein grundsätzliches Umdenken in der Gesellschaft wichtig wäre. «Im Moment liegt der Fokus oft darauf, dass man sich auf der Karriereleiter nach oben arbeitet.» Und man habe das Gefühl, dass dies lediglich über den gymnasialen Weg möglich sei. «Dem ist aber nicht so, denn unser Bildungssystem, bei dem «kein Abschluss ohne Anschluss» gilt, ist äusserst durchlässig. » Ausserdem könnten horizontale Entwicklungen genau so zielführend sein, wenn es darum geht, glücklich und zufrieden zu sein im Job.
«Wenn der Lernende gut ausgebildet wird, kann viel gewonnen werden.»
Christian Roth
Leiter Personalentwicklung V-Zug
Das Engagement als Lehrbetrieb lohne sich, ist Roth überzeugt. Die Ausbildung von Lernenden sei zwaranfangs mit finanziellem und Betreuungsaufwand verbunden. «Wenn der Lernende jedoch gut ausgebildet wird und noch während wie auch nach der Lehre als Fachkraft eingesetzt werden kann, wird aus den Kosten eine Investition.» Ausserdem komme es auch vor, dass bei Ausschreibungen von Aufträgen Unternehmen, die Lernende ausbilden, bevorzugt würden. «Und auch das Image eines Lehrbetriebs, der soziale Verantwortung übernimmt, profitiert.»
Zoe Gwerder